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„Jede Minute im Simulator zählt“: Andreas und Sebastian Estner starten im Euroformula Open

BEIDE BRÜDER WIEDER IN EINEM TEAM VEREINT


Das Brüderpaar ist wieder vereint. 2020 gehen Andreas und Sebastian Estner aus Wall beide für das niederländische Team Van Amersfoort Racing im Euroformula Open an den Start.

Wall – Das Brüderpaar ist wieder vereint. Nachdem sie 2019 in verschiedenen Rennserien unterwegs waren, gehen Andreas (19) und Sebastian (18) Estner aus Wall heuer beide für das niederländische Team Van Amersfoort Racing im Euroformula Open an den Start. Während Andreas Estner nach seiner Saison in der FIA Formel 3 bereits Erfahrung mit dieser Fahrzeugklasse mitbringt, muss sich Sebastian Estner nach seinen zwei Jahren in der ADAC Formel 4 erst an die deutlich schnelleren Autos gewöhnen. Was sie sich für dieses Jahr vorgenommen haben und wie die weitere Karriereplanung aussieht, verraten die beiden schnellen Brüder im Interview mit unserer Zeitung.


Andreas und Sebastian, noch weniger als zwei Monate bleiben bis zum Saisonstart des Euroformula Open in Paul Ricard (Frankreich). Wann beginnen die Testfahrten?


Andreas Estner: Das wissen wir leider nicht. Eigentlich hätten wir am 6. und 7. März in Barcelona im Auto sitzen sollen. Das ist leider nichts geworden.


Warum?

Sebastian Estner: Wegen des Coronavirus. Weil Einschränkungen für Anreise und Transport befürchtet werden, hat der Veranstalter den Test auf unbestimmte Zeit verschoben. Der zweite Termin am 20. und 21. März in Paul Ricard ist noch bestätigt. Wir sind aber nicht sicher, ob das so bleibt. In der Formel 1 gibt es ja sogar schon erste Rennabsagen.

Gutes Stichwort: In den vergangenen beiden Jahren waren Sie beide mehrfach im Rahmenprogramm der Formel 1 im Einsatz. Heuer laufen Sie der Königsklasse nicht mehr über den Weg. Schade oder gut so?

Andreas Estner: Ich bin tatsächlich froh, dass wir jetzt wieder der Hauptakt des Wochenendes sind. Durch die hohen Sicherheitsvorkehrungen der Formel 1 waren meine Rennen in der FIA Formel 3 schon mit ziemlich viel Aufwand verbunden. Das fällt jetzt alles weg. Wir haben wieder richtige Boxengaragen, können das gesamte Streckenareal für uns nutzen und haben damit auch mehr Zeit im Auto. Das Euroformula Open fährt je ein Training und Qualifying mehr als die FIA Formel 3. Dazu kommen noch zwei Tests während der Saison, die wir auf Strecken unserer Wahl absolvieren dürfen. Zumindest, solange die nicht eh im Rennkalender stehen.

Das Drumherum ist das eine. Aber wie ist Ihre neue Serie sportlich einzuschätzen? Kann sie der FIA Formel 3 das Wasser reichen?

Andreas Estner: Man muss schon sagen, dass das Level etwas niedriger ist. Allerdings nur in bestimmten Bereichen. Zum Beispiel werden die Autos nur 260 statt 300 Kilometer pro Stunde schnell. Dafür aber sind sie leichter und damit in den Kurven schneller. Sportlich entwickelt sich die Serie sehr gut. Die Konkurrenz ist ziemlich stark. Das ist auch ein Grund, warum unser Team Van Amersfoort ins Euroformula Open eingestiegen ist.

Da wiederum bringen Sie mehr Erfahrungswerte mit, Sebastian. Wie war Ihr Eindruck von Van Amersfoort in der Formel 4?

Sebastian Estner: Absolut top und professionell. Die Ingenieure entwickeln das Auto auf hohem Niveau und feilen mit den Fahrern an der Abstimmung. Und im Firmensitz in Zeewolde bei Amsterdam stehen drei Simulatoren, in denen wir uns intensiv auf die Rennen vorbereiten können. Ein riesiger Vorteil. Vor allem, wenn man die Strecken teilweise noch nicht kennt. So geht’s mir heuer gleich in vier Fällen: Spa-Francorchamps, Hungaroring, Pau und Pergusa.

Andreas Estner: Aber auch auf Strecken, die man schon kennt, zählt jede Minute, die man vorher im Simulator gesessen ist. Die sind technisch so ausgefeilt, dass man fast keinen Unterschied mehr zum realen Fahren merkt. So kann man die Fahrzeugabstimmung perfekt vorbereiten. Bei meinem Formel 3-Team im letzten Jahr hatte ich diese Möglichkeit leider nicht.

Klingt fast ein bisschen wehmütig...

Andreas Estner: Na ja, wenn man mitbekommt, wie intensiv sich manche Konkurrenten auf die Rennen einstellen konnten, dann wundert es einen nicht, warum es nicht für bessere Platzierungen gereicht hat. So einen Rückstand kann man nicht an einem Wochenende aufholen.

Bei Van Amersfoort sollte Ihnen das also nicht mehr passieren, oder?

Sebastian Estner: Nein, bestimmt nicht. Das habe ich schon bei meinem letzten Jahr in der Formel 4 mitbekommen. Obwohl ich erst sehr spät zum Team gestoßen bin, konnte ich den Trainingsrückstand über die Saison gut aufholen. Das hat sich ja dann auch in den Ergebnissen gezeigt.

Ein gutes Omen für 2020?

Sebastian Estner: Ich denke schon. Zwar steigt Van Amersfoort heuer neu ins Euroformula Open ein, aber das kann auch ein Vorteil sein. Alle sind voll motiviert und wollen sich in der starken Konkurrenz behaupten. Ich gehe schon davon aus, dass wir vorne mitfahren können.

Andreas Estner: Für mich ist Motopark das Team, das es zu schlagen gilt. Ich hoffe, dass uns das heuer so oft wie möglich gelingt. Ansonsten wollen wir so viel wie möglich lernen, damit wir nächstes Jahr um die Spitze kämpfen und uns damit wieder für die FIA Formel 3 empfehlen können – dann aber für einen Platz in einem Top-Team. Dafür brauchen wir aber natürlich auch gute Sponsoren, die uns finanziell unter die Arme greifen.

Geld ist das eine, Erfahrung das andere. Wie sehr hilft es da, dass Sie als Brüder wieder im selben Team fahren?

Sebastian Estner: Es ist auf jeden Fall ein Vorteil, wenn man sich Tipps geben und Setup-Daten austauschen kann. Für uns als Familie erleichtert es auch den Alltag. Anders als im vergangenen Jahr müssen wir nicht mehr getrennt reisen. Das hilft uns auch daheim im Betrieb.

Andreas Estner (lachend zu Sebastian): Und wenn du deinen Lkw-Führerschein hast, kannst auch du mal die Nachtschicht übernehmen (die Estners haben ein Unfallinstandsetzungsunternehmen, Anm. d. Red.).

Apropos Job: Wie sieht denn da Ihre Planung aus? Wird Rennfahrer irgendwann der Hauptberuf?

Andreas Estner: Sicherlich ist das unser mittelfristiges Karriereziel. Da man im Motorsport aber meist nur von Saison zu Saison planen kann, konzentrieren wir uns natürlich auch voll auf unsere Ausbildung als Kfz-Mechatroniker. Ich hab heuer im Sommer meine Abschlussprüfungen. Mein BWL-Studium läuft aber noch weiter.

Gibt es eigentlich Überschneidungen zwischen Ihrem Alltag in der Firma und an der Rennstrecke?

Sebastian Estner: Das technische Verständnis, das wir in unserer Ausbildung vermittelt bekommen, erleichtert einem schon die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren. Umgekehrt wissen wir durch unsere Erfahrungen im Rennauto, wie sich Faktoren wie Radsturz, Federhärte oder Bodenfreiheit auf die Fahrleistungen auswirken. Im normalen Straßenverkehr kommt man ja gar nicht in den Grenzbereich, wo man solche Details überhaupt erst spüren kann.

...und sie auch richtig nutzen kann, um schnell zu sein.

Andreas Estner: (lacht) Genau das ist unser Ziel für 2020.


Text: Sebastian Grauvogl

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