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In der Formel-Welt angekommen

Warngau – Andreas Estner (15) aus Warngau hat die erste Saisonhälfte in der Formel 4 absolviert – mit allen Höhen und Tiefen.

Das Talent und sein Mentor: Andreas Estner sitzt in seinem Formel 4-Wagen in der Box und geht im Kopf nochmal die Strecke durch. Sein Papa Franz ist immer in seiner Nähe und gibt Tipps.© Tilo Wondolleck
Das Talent und sein Mentor: Andreas Estner sitzt in seinem Formel 4-Wagen in der Box und geht im Kopf nochmal die Strecke durch. Sein Papa Franz ist immer in seiner Nähe und gibt Tipps.© Tilo Wondolleck

Die Autogrammkarten verraten, wo die Reise hingehen soll. „Die Formelstars von morgen“ steht auf den Fotos, die die Formel 4-Piloten bei der Signierstunde am Lausitzring für die Fans unterschreiben. Auch Andreas Estner (15) aus Vorderthalham bei Warngau sitzt an einem der langen Tische, flankiert von den knappbekleideten Gridgirls des Hauptsponsors ADAC. Ein blondes Mädchen hält ihm ein T-Shirt hin. Estner lächelt fast ein wenig ungläubig – und kritzelt seinen Namen auf den Stoff.

Es ist nicht nur die Autogrammstunde, die dem 15-Jährigen fremd ist in seiner ersten Saison in der deutschen Formel 4. Kein Wunder, ist er doch im vergangenen Jahr noch mit seinem Bruder Sebastian im Kart unterwegs gewesen. Sehr erfolgreich, aber eben noch weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit – und den Fans. Mit der Ruhe ist es nun vorbei. Estner hat den Sprung in die Welt des Formelsports geschafft. Als Drittjüngster von 40 Fahrern – darunter auch Mick Schumacher, Sohn des siebenmaligen Formel 1-Weltmeisters Michael Schumacher – jagt er seinen Monoposto für das RS-Competition-Team über Red Bull-, Hockenheim- oder Nürburgring. Rennstrecken, die Jungs in seinem Alter allenfalls auf der Playstation unter die virtuellen Räder nehmen.

Bei Estner ist alles ganz real. Er spürt, wie schwierig es ist, die Slicks auf Temperatur zu bringen. Wie schmal die Ideallinie ist. Wie groß die Gefahr, ins Rutschen zu kommen und sich dabei die Reifen zu ruinieren. Und wie gnadenlos die Fliehkräfte, die in den schnellen Kurven an seinen Nackenmuskeln zerren. Auf bis zu 210 Stundenkilometer katapultiert der 160 PS starke 1,4 Liter-Abarth-Turbomotor die baugleichen Boliden. Dank des Carbon-Chassis liegt das Mindestgewicht bei gerade einmal 570 Kilo – inklusive Fahrer. Heck- und Frontflügel pressen die Renner im Fahrtwind auf den Asphalt – im Prinzip wie in der Formel 1.

Da wollen die Formelstars von morgen auch hin. Doch der Weg in die Königsklasse ist steinig, die Auslese gnadenlos. Nur die besten Piloten schaffen es in die Formel 3, die nächsthöhere Rennserie. Spätestens hier wartet dann die internationale Konkurrenz. Wer da den großen Teams ins Auge sticht, hat Chancen auf ein Cockpit in der GP 3 und GP 2, den Talentschmieden der Formel 1.

Darüber braucht sich Estner in seiner ersten Saison noch keine Gedanken zu machen. Als Rookie geht es für ihn vorerst nur darum, das Auto, die Strecken und das ganze Drumherum eines professionellen Rennwochenendes kennenzulernen. Das Programm ist straff. Nach zwei freien Trainings wird es schon freitags ernst. In zwei Qualifikationsgruppen gehen die jungen Piloten auf Zeitenjagd. Der Kampf um die Startplätze entscheidet sich dann am Samstagvormittag, ehe am Nachmittag die Ampeln für das erste Rennen auf Grün schalten. Die Rennen zwei und drei stehen am Sonntag an. Punkte gibt’s nur für die besten Zehn, die Pole-Position und die schnellste Runde.

Für Estner hat es dazu bislang nocht nicht gereicht. Dennoch hat der 15-Jährige bereits seine Duftmarke gesetzt. So fuhr er gleich beim verregneten Auftakt in Oschersleben auf Platz 22, am Sachsenring kam er im dritten Rennen zwischenzeitlich bis auf Platz zwölf nach vorne und überquerte als 16. die Ziellinie. Turbulent verlief das Wochenende am Lausitzring – alleine schon der Kulisse wegen. Die Formel 4 startete hier im Rahmenprogramm der DTM. Doch Estner ließ sich vom hohen Promi-Faktor im Fahrerlager und den gut gefüllten Tribünen nicht verunsichern und kämpfte sich im ersten Rennen von Startplatz 32 bis auf Position 19 nach vorne.

Danach dann der Schock. In Rennen zwei wurde Estner von einem Kontrahenten seitlich von der Strecke katapultiert. Weil ihm sein Gegner bei Tempo 230 nahezu ungebremst ins Auto gefahren war, musste der 15-Jährige zur Untersuchungen ins Medical-Center. Die Ärzte diagnostizierten eine Knieverletzung und erteilten Estner ein Startverbot für den Rest des Wochenendes. Viel wäre aber wohl eh nicht mehr drin gewesen, denn auch das Auto war schwer lädiert. Motor und Getriebe, ja sogar das Monocoque – gewissermaßen die Überlebenszelle für den Fahrer – waren gebrochen.

Darunter hatte Estner auch beim zweiten Lauf in Oschersleben zu leiden. Am Steuer eines Leihfahrzeugs war er auf der Geraden zu langsam. Zu allem Überfluß brach auch noch die Radaufhängung und ein Defekt des Feuerlöschers ließ das Auto mit Schaum volllaufen. Mit Platz 22 im dritten Rennen zeigte Estner, dass er selbst aus so einem verkorksten Wochenende noch das technisch maximal mögliche herausholen kann. Nun geht er fit und voll motiviert in die zweite Saisonhälfte.

Die hält mit Hockenheim und Spielberg gleich zwei aktuelle Formel 1-Strecken bereit. Die Rennen auf der Kult-Strecke Nürburgring und der anspruchsvollen Piste im holländischen Zandvoort dürften für den 15-Jährigen nicht minder spannend werden. Doch nicht nur an die Strecken, sondern auch an den Umgang mit den Fans wird sich Estner schnell gewöhnt haben. Alltag für einen Formelstar von morgen.

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