Was für eine Überraschung: Bei unberechenbaren Wetterbedingungen ist Sebastian Estner aus Wall in Zandvoort zu seinem ersten Sieg in der Formel 4 gefahren.
Zandvoort/Wall – Ob er unter den Windböen durch tauchte oder sich einfach von ihnen ins Ziel tragen ließ: Wie genau Sebastian Estner sein Meisterstück beim stürmischen Formel 4-Rennen im niederländischen Zandvoort geglückt ist, kann der 17-jährige Waller nur selbst schwer beschreiben. Auf jeden Fall war für seinen ersten Sieg in der ADAC-Serie eine große Portion dessen vonnöten, was nur die besten Rennfahrer ihr Eigen nennen: Gespür, Instinkt und die Gabe, sich in Sekundenbruchteilen auf neue Streckenbedingungen einzustellen. Estners Teamchef Rob Niessink fügt noch etwas hinzu: „Sebastian hat der Welt gezeigt, was man mit Fokus und Entschlossenheit erreichen kann.“ Und das zur großen Freude auch noch im Heimatland der niederländischen Van Amersfoort-Mannschaft.
Schon bei den Testfahrten eine Woche zuvor deutete sich an, dass der Zandvoort Circuit seinem Ruf als unberechenbare Strecke voll und ganz gerecht werden würde. Die von den Nordseedünen eingekesselte Bahn verändert durch starke Winde und hereingewehtem Sand von Minute zu Minute ihren Charakter. Als wäre das nicht herausfordernd genug für die Fahrer und Ingenieure, gingen am Formel 4-Wochenende auch noch etliche Regenschauer über dem Kurs nieder. Die richtige Fahrweise und die passende Abstimmung der Autos zu finden, geriet dabei zu einem Glücksspiel nach dem Motto „Versuch und Irrtum“.
Estner tat das einzig richtige: Er blendete alles Drumherum aus und arbeitete konzentriert an seiner Leistung. Platz 17 im ersten und Platz 15 im zweiten Qualifying machten Hoffnung auf einen weiteren Aufwärtstrend. Doch zuerst folgte ein Rückschlag. Heftige Regenschauer führten in Rennen eins am Samstag zu einem Start hinter dem Safety-Car. Der spätere Wechsel auf Trockenreifen mündete dann in einen Stau an der Van Amersfoort-Box. Weil das Team zuvor seine Antenne wegen des Sturms abbauen musste, war die Funkverbindung zu den Autos gestört. Mangels Absprache kamen alle fünf Fahrer gleichzeitig zum Service. Für Estner sollte das am Ende keine Rolle mehr spielen. Er schied aus.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte wohl nicht mal der 17-Jährige selbst, welch überraschendes Feuerwerk er am Sonntag in den niederländischen Dünen abbrennen sollte. Die Zündschnur für seinen großen Coup legte Estner in Rennen zwei. Mit starken Überholmanövern fuhr er von Startplatz 15 auf Rang acht nach vorne. Eine Punktlandung, denn in der Formel 4 starten die besten Acht in Rennen zwei in umgekehrter Reihenfolge in Rennen drei. Heißt: Estner hatte sich die Pole Position fürs Finale erobert.
Im Sturm zur Sensation: Sebastian Estner holt ersten Sieg in der Formel 4
Und die gab der 17-Jährige nicht mehr her. Obwohl er zum ersten Mal in seiner Formel-Karriere das Feld anführte, blieb er cool und lenkte seinen Boliden als erster in die „Tarzan-Kurve“. Auch zwei Restarts nach Safety-Car-Phasen verunsicherten ihn nicht, teilt sein Team mit. Sebastian habe „gestochen scharf reagiert“ und seine Führung routiniert behauptet. Damit nicht genug: Estner knallte der Konkurrenz sogar noch eine Serie von schnellsten Runden vor den Latz und zeigte mit seiner makellosen Leistung, dass sein späterer Sieg kein Zufallsprodukt ist.
Erst als der Waller mit gereckter Faust die Ziellinie überquert und den Helm abgenommen hatte, zeigte sich, wie sehr ihn das Rennen bewegt hatte. Glücklich und erleichtert strahlend stieg stemmte Estner auf dem Podium den Pokal für den ersten Platz in die Höhe. Unten jubelten ihm die versammelte Van Amersfoort-Truppe zu. Mission Heimsieg erfüllt. Und das von einem Fahrer, der erst spät zum Team kam und nur vier Testtage auf dem Tacho hat.
Nicht nur für Estner selbst eine fantastische Bestätigung und Motivation in seiner erst zweiten Saison, sondern für die gesamte Mannschaft, sagt deren Boss Niessink: „Sebastians Leistung wird uns bei den nächsten Rennen am Nürburgring bestimmt inspirieren.“ Nur fünf Tage später konnte das Team den Beweis antreten. Die Wetterbedingungen jedenfalls sorgten auch in der Eifel für einiges an Abwechslung auf der Strecke.
Solider Auftritt am Nürburgring
Das Wetterchaos machte auch vor der Eifel nicht halt. Zwar pfiff am Nürburgring der Wind nicht ganz so stark über den Asphalt wie in Zandvoort, aber starke Regenschauer würfelten das Rennwochenende der Formel 4 erneut durcheinander. Vor allem für Sebastian Estner aus Wall, der die Sprint-Version der Traditionsrennstrecke bislang nur vom Papier oder Simulator her kannte, waren die Bedingungen alles andere als leicht. Doch auch hier legte der 17-Jährige eine erstaunliche Gelassenheit an den Tag und verbesserte sich von Session zu Session. 15. im ersten Qualifying, 14. im zweiten, 13. im ersten Rennen. Nach einem kleinen Durchhänger mit Platz 15 im zweiten Rennen fuhr er im Finale auf Rang zwölf.
Text: Sebastian Grauvogl (Miesbacher Merkur)
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