Andreas Estner (16) aus Warngau startet in seine zweite Saison in der Formel 4. Mit dem neuen Team Neuhauser Racing will er es in die Top 10 schaffen.

Warngau– Andreas Estner macht gerade seinen Führerschein. Die Theorieprüfung hat er bestanden, und an der Praxis sollte es bei einem Rennfahrer wie ihm ohnehin nicht scheitern. Eine härtere Fahrschule hat der 16-jährige Gymnasiast aus Vorderthalham bei Warngau in seiner ersten Saison in der Formel 4 durchlaufen. Der Umstieg vom Kartfahren in den Formelsport war für Estner nicht weniger als ein Sprung ins kalte Wasser. Am Sonntag startet der 16-Jährige nun mit seinem neuen Team Neuhauser Racing aus Österreich in Oschersleben in sein zweites Jahr in der Serie. Im Interview berichtet Estner von seinen Erlebnissen als Rookie, verrät seine sportlichen Ziele und erklärt, warum Rennfahren ein Mannschaftssport ist.
Andreas, im Kart bist Du von Sieg zu Sieg gefahren, in der Formel 4 waren Deine besten Ergebnisse je ein 17. Platz am Sachsen- und am Hockenheimring. Wie hart ist es da, sich weiter zu motivieren?
Andreas: Das ist überhaupt kein Problem. Ich wusste ja, dass meine erste Saison in erster Linie ein Lehrjahr wird. Viele Fahrer testen ein bis zwei Jahre, bevor sie in den Rennbetrieb einsteigen. Ich habe nur wenige Tests gefahren und bin direkt in die Serie rein, um Rennerfahrung zu sammeln.
Eine mutige Entscheidung. Hat sie sich denn auch ausgezahlt?
Andreas: Auf jeden Fall. Es war es ein sehr hartes und stressiges, aber auch ein lehrreiches Jahr. Das Auto und die Technik hatte ich eigentlich recht schnell im Griff. Man bekommt vor dem ersten Rennen genügend Informationen von den Ingenieuren und lernt, mit dem Auto umzugehen und es zu verstehen. Dazu gehört zum Beispiel, wie man die Bremsbalance richtig einstellt oder wie man am Start die Kupplung loslässt. Tatsächlich war der Start die größte Umstellung für mich.
Inwiefern das?
Andreas: Beim Kartfahren startet man fliegend, in der Formel 4 aus dem Stand. Da ist man schon nervös, wenn man darauf wartet, dass die Ampellichter ausgehen. Wenn 30 Autos gleichzeitig auf die erste Kurve zuschießen, muss man sich richtig platzieren, damit man nicht gleich ein paar Plätze verliert oder in eine Kollision verwickelt wird. Nach ein paar Rennen hatte ich das aber raus. Eine Umstellung war aber auch, sich an das Drumherum außerhalb des Cockpits zu gewöhnen.
Gibt es denn da so viel zu tun?
Andreas: Definitiv. Die Formel 4 ist zwar eine Nachwuchsserie, aber dafür schon sehr professionell organisiert. Als Einsteiger kommt man sich da vor wie in einer neuen Schulklasse. Aber mit der Zeit lernt man die anderen Fahrer kennen und kommt auch mal privat ein bisschen ins Gespräch. Viel Zeit hat man dazu aber nicht.
Warum nicht?
Andreas: Weil man das ganze Rennwochenende über unterwegs ist. Das geht von Lizenzlehrgängen über Fahrerbesprechungen, Datenauswertung, Physiotherapie und Aufwärmen bis hin zu Fototerminen. Am Anfang war das manchmal schon ein bisschen schwierig. Da wusste ich teilweise noch nicht mal, wo die einzelnen Meetings stattfinden und wie ich da am schnellsten hinkomme. Aber mit der Zeit kommt man ganz gut zurecht und kann sich wieder mehr auf den Sport konzentrieren.
Wie fällt da Dein Fazit aus? Bist Du zufrieden mit Deiner Rookie-Saison?
Andreas: Teils teils. Mein Ziel war es, mich von Rennen zu Rennen zu steigern. Das ist mir in der ersten Saisonhälfte ganz gut gelungen. Am Lausitzring hatte ich aber einen schweren Unfall. Da hat mich ein hinterherfahrender Konkurrent am Ende der Start-/Zielgeraden bei hohem Tempo von der Strecke geräumt. Mir ist nicht viel passiert, aber das Auto hatte Totalschaden. Wegen meines Knies habe ich von den Ärzten keine Freigabe für das nächste Rennen bekommen. Von da an hatte ich irgendwie eine Pechsträhne. Auch das Ersatzauto machte oft Probleme. Weil es zudem im Team ein paar Schwierigkeiten gab, musste ich am Nürburgring teilweise ohne Ingenieur auskommen und sogar unverschuldet das Rennwochenende in Zandvoort auslassen. Da merkt man, dass das eigene Talent nicht alleine entscheidend ist für den Erfolg. Man braucht eine gut funktionierende Mannschaft, um vorne mitmischen zu können. Mit Neuhauser Racing habe ich die nun gefunden, denke ich.
Wie ist der Wechsel zustande gekommen?
Andreas: Wir haben uns vom Testen her gekannt, und jetzt haben wir zusammengefunden. Die Harmonie im Team passt super, und dank meinem Renningenieur, Fahrercoach und Physiotherapeuten fühle ich mich bestens betreut. Hannes Neuhauser ist ein junger und trotzdem erfahrener Teamchef, der früher selbst Rennen gefahren ist. Mit Michael Waldherr habe ich zudem einen erfahrenen Teamkollegen zur Seite. Bei RS Competition, wo ich 2016 gefahren bin, war ich meist allein. Das ist ein Nachteil, weil man keine Daten für die Fahrzeugabstimmung austauschen kann. Heuer sieht es viel besser aus.
Welche Ziele hast Du Dir für 2017 gesetzt?
Andreas: Ich möchte regelmäßig in die Top 10 fahren und Punkte für die Meisterschaft sammeln. Auch auf den ein oder anderen Podestplatz hoffe ich. Die ersten beiden Testtage am Nürburgring waren recht vielversprechend. Am zweiten Tag war ich Gesamtzweiter von zehn Fahrern. Und da waren ein paar große Namen dabei.
...zu denen Du vermutlich auch bald dazugehören willst, oder?
Andreas: (lacht) Klar möchte ich mir einen Namen machen und mich mit meinen Leistungen für die nächsthöheren Rennserien empfehlen. An meinem Traum, irgendwann mal Formel 1 zu fahren, hat sich nichts geändert.
Und falls das nicht klappt? Hast Du Dir einen Plan B überlegt?
Andreas: Mein Plan B ist momentan die Schule. Obwohl ich es auch heuer durch meinen Sport wieder auf 30 Fehltage bringen werde, möchte ich 2018 wie geplant mein Abitur machen. Was danach kommt, werden wir sehen. Als Rennfahrer denke ich erst mal von Saison zu Saison.
Überblick: Das ist die Formel 4
Die ADAC Formel 4 wurde 2015 als neue Nachwuchsserie im deutschen Motorsport gestartet. 2017 versuchen sich 26 junge Rennfahrer – darunter nicht nur Europäer, sondern auch Brasilianer und US-Amerikaner – am Steuer derBoliden mit 160 PS-starkem 1,4 Liter-Turbomotor. Um die Technik kümmern sich neun Teams. Sieben Rennwochenenden sind geplant. Auf dem Lausitzring, Red Bull Ring, Nürburgring, Sachsenring und Hockenheimring macht die Serie jeweils einmal Station, in Oschersleben sogar zwei Mal.
Das Programm beginnt am Freitag mit zwei Freien Trainings und dem ersten Teil der Qualifikation. Endgültig festgelegt wird die Startaufstellung dann beim Qualifikationsrennen am Samstagmorgen. Danach folgt das erste Rennen, ehe es am Sonntag in die Rennen zwei und drei geht. Um die Spannung zu erhöhen, starten die besten zehn Fahrer des ersten Rennens beim zweiten Lauf in umgekehrter Reihenfolge. Je nach Streckenlänge geht ein Rennen über zehn bis 18 Runden und dauertje eine halbe Stunde. Meisterschaftspunkte gibt es für die besten zehn Fahrer.
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