Die Bestätigung ist da - endlich. Bei einem Gaststart in der italienischen Formel 4 hat Andreas Estner aus Wall seinen ersten Podiumsplatz eingefahren. Auch sein Bruder war stark.
Wall/Mugello – Tief drin wusste Andreas Estner immer, dass er hier hingehört. Und doch muss es sich für ihn fast ein bisschen unwirklich angefühlt haben, als er nach dem Formel 4-Rennen in Mugello aufs Podium kletterte, den Pokal für Platz drei in die Luft reckte und anschließend die obligatorische Champagner-Dusche freudestrahlend über sich ergehen ließ. Denn der 18-jährige Rennfahrer aus Wall und sein jüngerer Bruder Sebastian (16) haben eine harte Saison hinter sich.
An fünf Wochenenden der ADAC Formel 4 kämpften sie mit ihren Autos und manchmal auch mit ihrem Team Neuhauser Racing. Statt der erhofften technischen Entwicklung trat eher eine Stagnation ein. Rookie Sebastian tat sich schwer, in der für ihn neuen Serie Fuß zu fassen, Andreas blieb in seiner dritten Saison hinter seinen eigenen Erwartungen zurück. Nicht nur die Ergebnisse, sondern auch der Spaß blieb dabei auf der Strecke. Nach dem Rennen in Hockenheim fällten die Estners dann eine Entscheidung. Sie trennten sich vorzeitig von ihrem Team.
Drei Monate lang saßen die Estner-Brüder nicht im Auto. Dann wagten sie einen für ihre weitere Karriere nahezu alles entscheidenden Versuch. Sie kauften sich für die letzten drei Läufe der italienischen Formel 4 in Mugello beim niederländischen Top-Team Van Amersfoort ein. Just bei dem Rennstall also, der die Brüder schon für 2018 verpflichten wollte. „Wir wollten einfach wissen, wo die Jungs stehen, wenn sie in einem guten Auto sitzen“, erklärt Papa Franz Estner.
Ein Schuss, der auch als Fehlzündung hätte verpuffen können. Schließlich hatten weder Andreas und Sebastian, noch ihr Team Erfahrung mit dem Kurs in Mugello. „Wir hatten ehrlich gesagt keine besonders hohen Erwartungen“, sagt Franz Estner. Doch die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren klappte auf Anhieb gut, der Fahrspaß war zurück. „Sie haben das Auto endlich wieder richtig gespürt“, erzählt Mama Margarete Estner. Mit nur zwei Testtagen im Rücken, aber top-motiviert gingen die Brüder dann in die Qualifikationsläufe.
Hier ließ vor allem Sebastian Estner aufhorchen. Mit Platz acht im zweiten Qualifying stellte er seinen Boliden sogar knapp vor dem seines älteren Bruders in die Startaufstellung. Für den lief es vor allem im ersten Zeittraining gut. Mit Startplatz vier schuf er die Grundlage für sein Podium im ersten Rennen.
Das ging noch unter trockenen Bedingungen über die Bühne. Während der Führende Gianluca Petecof vom Spitzenteam Prema Theodore Racing bald außer Reichweite war, fuhren sich Enzo Fittipaldi und Leonardo Lorandi bei einem Zweikampf ins Auto. Beide schieden später aus – und die Bahn zum ersten Podest war frei für Andreas Estner. Sein Bruder schlug sich ebenfalls gut und sah als Zehnter die Zielflagge.
Die Rennen zwei und drei ließen dann kaum mehr einen echten Leistungsvergleich zu. Starker Regen machte die Strecke fast unfahrbar, die dichte Gischt ließ die Fahrt zu einem Blindflug geraten. Safety-Car-Phasen und Rennabbrüche würfelten den Verlauf obendrein durcheinander. „Die Formel 1 wäre bei solchen Verhältnissen nicht gefahren“, ist sich Franz Estner sicher. Andreas machte das einzig richtige: Er ging kein Risiko ein und kam als Achter und Neunter ins Ziel. Sebastian war weiter hinten im Feld in einige Duelle verwickelt und musste sich mit den Plätzen 15 und 26 zufriedengeben.
Eines aber konnte der Regen nicht wegwaschen: das gute Gefühl der Estner-Brüder, dass sie es im richtigen Auto auch richtig weit bringen können im Motorsport. Davon ist man auch bei Van Amersfoort überzeugt, berichtetet Franz Estner stolz. „Die wollen uns haben.“ Sebastian für die Formel 4, Andreas gleich für die nächsthöhere Klasse Formel 3. Doch das, räumt Estner ein, ist vor allem eine Frage des Geldes. Ohne Sponsoren sei das weitere Engagement seiner Söhne kaum zu finanzieren.
Anstatt zuhause auf dem Sofa zu grübeln, steigen die beiden Rennfahrer aus Wall aber lieber wieder ins Auto. Im Winter starten sie in der indischen MRF-Serie. Los geht’s in Dubai, gefolgt von Bahrain und Chennai (Indien). Je fünf Rennen stehen hier an. Das Ziel der Estners ist klar: so oft wie möglich im Champagner baden.
Text: Sebastian Grauvogl
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